Der VSME bedauert das ergebnislose Ende der Verhandlung mit der Gewerkschaft und kritisiert deren Festhalten an der Forderung.
Die wirtschaftliche Lage und der Ausblick – gerade auf 2023 – und die Forderung nach einer Tabellenerhöhung – und dann noch in dieser Höhe – passen für diesen Zeitraum überhaupt nicht zusammen. In den letzten vier Wochen seit der Auftaktverhandlung ist viel passiert, leider nicht zum Guten: Die Konjunkturaussichten haben sich weiter verschlechtert. Inzwischen gehen alle namhaften Institute von einer Rezession im kommenden Jahr aus. Die Analyse des IWF zeichnet für die Weltwirtschaft ein echtes Krisenbild, das in Europa in besonderer Weise zutrifft. Und innerhalb der EU bekommt Deutschland die rote Laterne. Der Krieg in der Ukraine ist nicht beendet. Im Gegenteil, er ist weiter eskaliert. Das hat auf die Welt, aber auch auf Deutschland ganz konkrete Auswirkungen.
Ganz oben steht dabei die Frage der Energiesicherheit. Anschläge auf die Gaspipelines, sowie auf die Bahn- und IT-Infrastruktur zeigen, wie verletzlich wir geworden sind. Von den Kosten ganz zu schweigen. Noch immer ist nicht klar, wie wir die für unsere Gesellschaft und darunter auch unsere Wirtschaft, unsere Arbeitsplätze, die erforderliche Energie in den verschiedenen Formen – Gas, Elektroenergie, Wärme – physisch sicherstellen können. Und noch immer glauben Teile der deutschen Gesellschaft und der Politik, auf wesentliche nationale energetische Kapazitäten verzichten zu können. Alles muss getan werden, auch die industriellen Strukturen in Deutschland zu erhalten und mit ihnen möglichst alle Arbeitsplätze.
Auftragsstornierungen und Projektverschiebungen auf einen späteren Zeitpunkt haben ein bedrohliches Ausmaß angenommen. Gerade der Bereich, der der IG Metall im besonderen Maße am Herzen liegt, die Automobilindustrie, hat seit 2019 mit einem starken Rückgang der Produktion in Deutschland zu kämpfen. Trotz einer leichten Erholung im Herbst 2022 liegt die Zahl gebauter Fahrzeuge noch immer 30 Prozent unter dem Vorkrisenniveau. Im Ergebnis stark steigender Kosten zeichnet sich eine dramatische Verschlechterung der Ertragslage in unserer Industrie ab. Nur die Elektronik-Branche sieht positiv in die nächsten zwölf Monate, alle anderen Bereiche sehen zum Teil drastische Ergebnisverschlechterungen. Ganz am schlechten Ende die Bereiche Automotive und sonstiger Fahrzeugbau. Und dies nach schwierigen Jahren seit 2019.
Auf diese Situation muss auch die Tarifpolitik mit einem differenzierten Tarifabschluss reagieren. Der VSME fordert in den Verhandlungen auch beim Arbeitszeitvolumen eine Reaktion auf die völlig veränderte Situation. Für die Energiesicherheit, erst recht zu bezahlbaren Preisen, braucht es einen schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien. Die Technologie und wesentliche Dienstleistungen dafür erbringen Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie. Das kann niemand anderes. Dafür braucht es unsere Unternehmen und ihre Mitarbeiter.
Zugleich ist es eine große Chance für diesen zukunftsträchtigen Bereich der deutschen Metall- und Elektroindustrie, der anhaltend wachsen wird und gute Arbeitsplatz- und Einkommensperspektiven bieten kann, wenn diese Leistungen den Erfordernissen der Nachfrage folgend auch erbracht werden. Und dafür brauchen wir – so wie für den Krisenfall in anderen Bereichen – eine schnelle und unkomplizierte Anpassung des Arbeitszeitvolumens, in diesem Fall nach oben. Selbstverständlich vollständig bezahlt. Mittelfristig kann sich daraus für Deutschland eine gute industrielle Perspektive ergeben. Die Chance ist da, sie muss aber auch entschlossen ergriffen werden. Die Tarifpolitik muss dafür einen Beitrag leisten. Der Metall- und Elektroindustrie stehen zwei schwierige Winter und ein sehr schwieriges Jahr 2023 bevor. Mit einem kleinen Streckbetrieb der Atomkraftwerke und ersten LNG-Terminals ist es nicht getan, um substantiell Abhilfe zu schaffen. Diese Situation gilt für die Bevölkerung und die Unternehmen.
Wir sehen die Schwierigkeiten, vor denen auch unsere Mitarbeiter durch die Inflation gestellt sind. Dafür tragen weder unsere Mitarbeiter, aber auch wir Unternehmen eine Verantwortung. Es waren politische Entscheidungen, die zu dieser extrem schwierigen Situation geführt haben. Deshalb ist es Aufgabe der Politik, das Problem zu lösen – mit akut wirkenden Maßnahmen, aber auch solchen mit Mittelfrist-Perspektive. Wichtig ist, dass die Ankündigungen der Politik zur Kostendämpfung bei den Energiepreisen zügig ausgestaltet und verabschiedet werden. Mit diesen rechtssicheren Fakten lässt sich dann auch die Tarifrunde zügig zu einem Ergebnis führen.
Der VSME ist dazu bereit.