Es geht um viel. Zusammen anpacken!
Die Metall- und Elektro-Industrie (M+E-Industrie) ist in einem tiefen Tal: Seit Ende 2018 steckt sie in einer Rezession, seit dem Frühjahr 2020 haben die Folgen der Corona-Pandemie zu einem Einbruch geführt, der selbst den der Finanzkrise 2008/2009 noch übertrifft. Gleichzeitig ist nicht nur die Automobilindustrie im Umbruch – und mit ihr alle verbundenen Unternehmen –, sondern sämtliche Unternehmen, gleich welcher Branche, sind den Veränderungen ausgesetzt, die der Strukturwandel und die Digitalisierung aller Prozesse mit sich bringen.
Es entstehen neue Geschäftsmodelle, neue Produkte, neue Wertschöpfungsketten. Alle Unternehmen müssen dort weit über das alltägliche Maß hinaus investieren. Mitten in der Corona-Pandemie ist das besonders schwer. Die Unternehmen setzen darauf, Beschäftigung zu halten. Deshalb kommt den Arbeitskosten besondere Bedeutung zu: Es darf für die Unternehmen nicht attraktiver sein, Beschäftigung abzubauen.
Für die M+E-Arbeitgeber steht außer Frage: Unsere Industrie wird alle Herausforderungen erfolgreich bewältigen können. Das wollen die Arbeitgeber auch am und vom Standort Deutschland aus mit ihren Beschäftigten tun. Zwar wird der Strukturwandel manche Tätigkeiten überflüssig machen, andere verändern – aber ein erfolgreicher Wandel bedeutet, dass neue Arbeitsplätze entstehen. Dafür müssen wir die Weichen richtig stellen, und alle müssen ihren Beitrag leisten: Arbeitgeber, Gewerkschaft und Arbeitnehmer. Darüber hinaus sind wir überzeugt, dass der Flächentarif auch für die Arbeitswelt der Zukunft ein geeignetes Instrument sein kann. Voraussetzung dafür ist, dass die Unternehmen freiwillig den Flächentarif anwenden möchten, weil sie ihn als Vorteil empfinden.
Daraus folgt für die M+E-Tarifrunde 2021:
· Es gibt 2021 keinen Verteilungsspielraum. Wir müssen erst einmal dahin kommen, wo wir schon mal waren!
· Alle Beteiligten müssen ihren Beitrag dazu leisten, aus der Krise herauszukommen!
· Wir brauchen automatisch einsetzende Abweichungsmöglichkeiten beim Entgelt, die objektiven und für jeden nachvollziehbaren Kriterien folgt!
Es geht um viel. Lassen Sie uns gemeinsam anpacken!
Fakten zur M+E-Tarifrunde 2021
Wirtschaftliche Lage
- Im 3. Quartal 2020 lag die Produktion der M+E-Industrie um mehr als 20 Prozent unter dem Stand von 2018, als die Kapazitäten voll ausgelastet waren. Für das gesamte Jahr 2020 wird ein Rückgang der Produktion um 15 bis 17 Prozent im Vergleich zum Vorjahr erwartet. Bis das Niveau erreicht ist, auf dem wir bereits einmal waren, wird es noch Jahre dauern.
- Bemerkenswert ist, in welchem Ausmaß die Unternehmen trotz dieser massiven Unterauslastung an ihrer Beschäftigung festhalten: Von 2018 bis September 2020 sank die Produktion um 16,8 Prozent, die Beschäftigung aber nur um 2,4 Prozent.
- Ein weiterer Beweis dafür ist der massive Einsatz von Kurzarbeit, die trotz aller Unterstützung durch die Bundesagentur für Arbeit die Unternehmen viel Geld kostet: Über 1,5 Millionen Arbeitnehmer der Branche waren im Mai 2020 in Kurzarbeit, auf dem Höhepunkt der Finanzkrise 2008/2009 waren es nur 950.000.
- Die M+E-Industrie muss seit der Finanzkrise 2008/2009 mit geringen Produktivitätszuwächsen auskommen: Insgesamt ist die Produktivität über zehn Jahre nur um rund drei Prozent gewachsen. Zum Vergleich: Die Arbeitskosten sind im gleichen Zeitraum um das Zehnfache gestiegen.
- In der Corona-Krise sind die Preise nur wenig gestiegen. Die Senkung der Mehrwertsteuer hat zusätzlich zur Preisdämpfung beigetragen. Über mehrere Monate hinweg sind 2020 die Preise sogar gefallen. Deshalb wird die Inflationsrate 2020 etwa bei 0,6 Prozent liegen. Im Jahr 2021 wird dann die Inflation bei etwa 1,5 Prozent liegen – auch weil die Mehrwertsteuer wieder auf ihr altes Niveau steigt
Entgelt
Die IG Metall sieht ein Verteilungsvolumen von vier Prozent. Das soll entweder in Form von Entgelterhöhungen gezahlt oder für Beschäftigungssicherung verwendet werden, insbesondere als (Teil-)Entgeltausgleich für eine Arbeitszeitverkürzung.
Den Verteilungsspielraum begründet die IG Metall bislang mit der Trendproduktivität (ein Prozent), der Zielinflation der Europäischen Zentralbank (zwei Prozent) und der Tatsache, dass die Inflation 2020 nicht ausgeglichen worden wäre (ein Prozent). Außerdem gebe es Unternehmen, denen es gut gehe. Zudem wird die Stärkung der Kaufkraft (Binnenkonjunktur) angeführt.
Es gibt keinen Verteilungsspielraum!
- Es gibt keinen Verteilungsspielraum! Erst dann, wenn die M+E-Industrie wieder auf den Wachstumspfad vor Rezession und Corona zurückgekehrt ist, kann man von Wachstum reden, und erst ab dann kann man davon sprechen, dass es etwas zu verteilen gibt.
- Wann das sein wird, lässt sich angesichts der weiteren Entwicklung der Corona-Pandemie nicht vorhersagen. Klar ist aber, dass es mindestens bis 2022 dauern wird. Wir haben die Beschäftigen immer fair am Wachstum beteiligt, und werden das auch in Zukunft tun – wenn es wieder Wachstum gibt.
Beschäftigung halten stärkt die Binnenkonjunktur!
- Beschäftigung zu halten ist die beste Stärkung der Binnenkonjunktur. Ob Menschen größere Anschaffungen machen oder nicht, hängt nicht davon ab, ob sie brutto 20 oder 100 Euro mehr haben. Entscheidend ist, dass sie halbwegs sicher sind, auch übermorgen ihren Arbeitsplatz zu haben.
- Es gibt zudem einen Weg, Arbeitnehmern mehr Geld zum Konsumieren zu verschaffen, ohne die Belastung der Unternehmen zu erhöhen: Indem Staat und Sozialversicherungen mehr netto vom brutto übrig lassen. Interessanterweise sind es gerade die Gewerkschaften, die am striktesten gegen Steuersenkungen oder Beitragssenkungen sind.
- Für die Metall- und Elektro-Industrie spielt die Stärkung der Konsumnachfrage im Übrigen unmittelbar kaum eine Rolle. Den meisten Unternehmen kommt sie nicht zugute, da sie keine Konsumgüter, sondern beispielsweise Maschinen für die Industrie herstellen.
Unterschiedliche Lage braucht differenzierte Lösungen!
- Es gibt erfreulicherweise auch Unternehmen, die nicht unter der Krise leiden. In der M+E-Industrie mit ihren 14 verschiedenen Branchen und insgesamt 25.700 Unternehmen sind die Unterschiede groß. Umgekehrt hat es auch in den Boom-Jahren Unternehmen gegeben, an denen das Wachstum vorbeiging.
- Wir müssen Wege finden, den unterschiedlichen Situationen gerecht zu werden – durch Differenzierung und Variabilisierung, das heißt Abweichungsmöglichkeiten beim Entgelt, die nach objektiven Kriterien funktionieren und die automatisch greifen, um alle Beteiligten vor Willkür zu schützen. Wir sind bereit, dazu Lösungen zu finden.
Beschäftigungssicherung und Arbeitszeit
Es ist richtig, Beschäftigungssicherung in den Mittelpunkt der Tarifrunde 2021 zu stellen. Allerdings gibt es nur einen einzigen Weg, Arbeitsplätze zu schaffen oder zu sichern: durch Erfolg am Markt. Je mehr Kunden das Produkt kaufen, desto mehr Mitarbeiter benötigt der Betrieb für die Produktion.
Dazu brauchen wir die besten Produkte, erstklassigen Service, engagiertes Verkaufspersonal und jederzeitige Liefermöglichkeiten – und einen wettbewerbsfähigen Preis. Wer Arbeit noch teurer macht, riskiert, dass es für Unternehmen günstiger ist, Beschäftigung zu reduzieren.
Ein Lohnausgleich entzieht den Unternehmen wichtige Liquidität!
- Sind zu wenige Aufträge da, kann es eine Option sein, die Arbeitszeit vorübergehend abzusenken. Die damit verbundene Kosteneinsparung spart den Unternehmen Liquidität und ermöglicht ihnen, Unterauslastung in Krisen durchzustehen. Eine klassische Hilfestellung dafür ist die Kurzarbeit, als eher kurzfristiges Instrument in Krisenzeiten. Diese Option gibt es aber auch in unseren Tarifverträgen. Die meisten sehen aber keinen Lohnausgleich für Arbeitszeitverkürzungen vor, dort wo sie es tun, werden sie aus Kostengründen nicht angewandt. Es würde auch dem Ziel, Liquidität zu sparen, widersprechen. Zudem zeigt die Erfahrung aus Tarifregionen, die Teillohnausgleiche vorsehen, dass die Unternehmen das Instrument nicht nutzen, weil es zu teuer ist.
- Diese Instrumente eignen sich zudem vor allem bei eher kurzfristigen Krisen, nicht jedoch beim Strukturwandel. Diese Unterscheidung kennen sowohl die gesetzliche Kurzarbeit wie die Tarifverträge.
- Davon abgesehen: In der M+E-Industrie verdienen die Beschäftigten im Schnitt über 60.000 Euro im Jahr. Da braucht es keinen Lohnausgleich, wenn man ein paar Stunden weniger arbeiten will.
Neue Arbeitsplätze entstehen nicht, wenn man Arbeit noch teurer macht.
- Die Corona-Krise beschleunigt den Strukturwandel in der M+E-Industrie, der durch die Digitalisierung, die Klimapolitik und durch neue Mobilitätskonzepte ausgelöst wird. Hier ist offensichtlich: manche Tätigkeit wird in Zukunft nicht mehr gebraucht. Da hilft keine Arbeitszeitverkürzung. Man kann auch Arbeit nicht einfach auf andere oder alle Beschäftigte umverteilen.
- Entscheidend ist, dass neue Arbeitsplätze entstehen – wie das in jedem Wandel geschehen ist. Keine Frage, das ist ein mühsamer Weg – aber er lohnt sich. Diese neuen Arbeitsplätze entstehen sicher nicht, indem man Arbeit noch teurer macht
Weitere Themen
Arbeitszeit Ost braucht eine wettbewerbsfähige Lösung!
- Wir haben mit der IG Metall anderthalb Jahre lang über eine Lösung bei der Arbeitszeit Ost verhandelt. Dabei stand vom ersten Gespräch an fest, dass eine Lösung weder die Wettbewerbsfähigkeit noch die Tarifbindung gefährden darf. Diese Gespräche hat die IG Metall drei Mal abgebrochen.
- Die Firmen, die überhaupt noch den Flächentarif anwenden, will die IG Metall nun mit einer Art Strafzoll belegen. Damit wird noch deutlicher, was eine Verkürzung der Arbeitszeit bedeutet: eine enorme Verteuerung der Arbeitsstunde! Werbung für die Tarifbindung ist das sicher nicht.
Kein tarifpolitischer Handlungsbedarf bei Dual Studierenden!
- Dual Studierende sind per Definition Studenten, keine Auszubildenden. Es gibt hier keinerlei tarifpolitischen Handlungsbedarf. Für die Auszubildenden gelten die Tarifverträge – für die Studenten die jeweiligen Hochschulregelungen. Die beiden Gruppen gleichzustellen, würde im Übrigen auch einen Keil zwischen die Studenten unterschiedlicher Hochschulformen treiben.